Studientagung

Vom „Nie wieder“ zum „Schon wieder“?

Jüdisch-christliche Perspektiven auf 80 Jahre 8. Mai 1945

Studientagung des DKR vom 23. bis 24. Mai 2025 Gustav-Stresemann-Institut, Bonn


Foto: Schändung des jüdischen Friedhofs in Freudental (Kreis Ludwigsburg), 1. Oktober 2007
© Von Zacharias L. - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

Am 8. Mai 2025 jährt sich der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus zum 80. Mal. Viele Deutsche verbanden mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht nicht das Wort Freiheit und verweigerten sich in der Folge zu oft einer Auseinandersetzung mit der eigenen Verantwortung und Schuld. Dagegen stellte der Sieg der Alliierten für Jüdinnen und Juden und viele weitere Verfolgte des Nazi-Regimes tatsächlich die ersehnte Befreiung und letzte Rettung vor dem Tod dar. Beispielhaft dafür steht ein Brief von Irmgard Brill vom 21. Mai 1945, der im Jüdischen Museum Berlin dokumentiert ist: „Ich bin am 1. April in Kaunitz bei Lippstadt von den Amerikanern befreit worden u. fühlte mich seit diesem Tag wie eine Neugeborene, denn ich glaubte nicht bis zur Minute der Befreiung, dass ich lebend davon komme“.

Erst der endgültige Zusammenbruch der nationalsozialistischen Diktatur mit ihrem zentralen „Erlösungsantisemitismus“ (Saul Friedländer) ermöglichte in der Bundesrepublik den Aufbau einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Zugleich bildet der 8. Mai die entscheidende Zäsur, die die Entwicklung eines neuen Verhältnisses zwischen Christ:innen und Jüdinnen:Juden sowie ein damit verbundenes Umdenken in Kirche und Theologie überhaupt erst ermöglichte. So ist dieses Datum auch der Ermöglichungsgrund für die Entstehung des Deutschen Koordinierungsrates und seiner über 80 Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit „in einer Zeit der Sprachlosigkeit“ (Henry G. Brandt, sel. A.). Eingedenk Theodor W. Adornos Forderung, „dass Auschwitz nicht noch einmal sei“, treten sie seit über 75 Jahren der zweitausendjährigen „Lehre der Verachtung“ (Jules Isaac) entgegen, kämpfen gegen jede Form der Menschenverachtung, gestalten den Dialog und stehen als verlässliche Partner an der Seite des pluralen Judentums in Deutschland.

Die 80. Wiederkehr des 8. Mai als entscheidende Wegmarke der deutschen Geschichte nehmen wir zum Anlass, um auf die Beziehungsgeschichte von jüdischen und nichtjüdischen Deutschen seit 1945 zu blicken. Wir beschäftigen uns mit dem Antisemitismus, der nie weg war und seit dem „Schwarzen Schabbat“ unvorstellbare Ausmaße angenommen hat sowie mit der Zunahme von Demokratieverachtung, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und Extremismus.

Die Situation und die Herausforderungen für einen christlich-jüdischen Dialog waren im „Land der Täter“ ganz andere als etwa in den USA oder in England. Zurecht fragten sich Jüdinnen und Juden nach den grausamen Erfahrungen in der Schoa, warum man mit denjenigen reden sollte, die soeben die eigene Familie ermordet oder nichts dagegen unternommen hatten, sich einer Auseinandersetzung verweigerten und schon 1945 nach einem „Schlussstrich“ riefen. Wieso sollte man in den Dialog treten und was sollte dort zu besprechen sein?

Angesichts des 8. Mai 2025 wollen wir bei der Studientagung mit ausgewiesenen Expert:innen und Ihnen u. a. folgende Fragen diskutieren:
• Blicken wir wirklich auf eine Geschichte von 80 Jahren Freiheit und wen betrifft diese?
• Ist das „Nie wieder!“ nicht längst ein „Schon wieder!“ geworden, wenn wir unsere sich immer weiter polarisierende Gesellschaft und den offenen Judenhass, Rassismus und Extremismus betrachten?
• Was verbinden Jüdinnen:Juden und Christ:innen heute mit der Zäsur des 8. Mai?
• Wie kann jede:r Einzelne die Erinnerung an die Schoa ohne Zeitzeug:innen lebendig halten und das Lernen aus der Geschichte, auch in digitalen Formaten, so einsetzen, dass es zu mehr Menschlichkeit und Respekt füreinander führt?
• Wie können wir in der Erinnerung an den 8. Mai 80 Jahre später den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft begegnen?

Weitere Informationen, genauer Programmablauf und Anmeldung im
Info-Flyer