Begrüßung und Eröffnung zur 1. Rabbiner-Brandt-Vorlesung
Begrüßung und Eröffnung zur 1. Rabbiner-Brandt-Vorlesung
Prof. Dr. Berndt Schaller
Verehrte Damen, werte Herren
Liebe Schwestern und Brüder
Chaverim we-chaveroth
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter für christlich-jüdische Verständigung und Zusammenarbeit
Eine Uraufführung steht auf dem Programm, die erste mit dem Namen „Rabbiner Brandt“ versehene und ausgezeichnete Vorlesung. Dazu möchte ich Sie namens des Koordinierungsrats und für die Buber-Rosenzweig-Stiftung der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit herzlich willkommen heißen.
Die Idee, neben der Eröffnungsveranstaltung zur Woche der Brüderlichkeit jährlich mit einer herausragenden Vorlesung aufzuwarten, um öffentlich für christlich-jüdische Zusammenarbeit Position zu beziehen und dabei – kritisch, auch selbstkritisch – im gesellschaftspolitischen Diskurs zukunftsweisende Impulse zu setzen, hat den Vorstand des DKR schon des längeren beschäftigt. Es brauchte aber eine Initialzündung, um sie durch- und umzusetzen. Erst im letzten Jahr hat es gezündet und zwar bei Überlegungen, wie wir es schaffen könnten, den bevorstehenden 80. Geburtstag von Rabbiner Henry Brandt angemessen zu begehen. Natürlich hätten wir dazu - wie oft üblich - eine Festschrift auf die Beine stellen können. Aber eine derartige papierene Würdigung passt im Grunde nicht zu diesem Jubilar. In Bücherregalen abgestellt zu werden und Staub anzusetzen, das ist nicht seine Sache. Er ist ein Mann des gesprochenen, des lebendig vermittelten Worts, nicht des geschrieben, des ziseliert verfassten. Das hat Henry Brandt immer wieder gezeigt: in den über 20 Jahren, in denen er dem DKR gedient und das Profil der Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Christen und Juden in unserer Republik entscheidend mitgeprägt hat, und auch sonst, wo er in Universitäten und Akademien, in Kirchen und Synagogen sich zu Wort gemeldet hat. Das Markenzeichen dieses Rabbiners war und ist die freie Rede in kopf- und herzbewegenden Ansprachen, Predigten und Vorträgen. Womit könnten wir anlässlich des 80. Geburtstags ihn, seine Art und seine Arbeit besser würdigen als mit einer Vorlesungsreihe, die seinen Namen trägt?
Verehrter Herr Rabbiner, lieber Henry, seit diesem denkwürdigen Geburtstag sind zwar schon wieder fast 2 Wochen verstrichen, aber ich denke, es ist noch nicht zu spät in diesem Kreis und bei dieser Gelegenheit ein herzliches masel tov zu sagen, für jeden neuen Tag den Segen des Himmels zu wünschen.
Dass wir für den Auftakt dieser – wie gesagt - in Zukunft jährlich geplanten Vorlesungsreihe als Ort Hannover und als Raum die Neustädter Kirche St. Johannes gewählt haben, ist eher zufällig zustande gekommen. Aber wie jeder Zufall ist auch dieser beredt. Hannover war die erste Station der Wirksamkeit von Henry Brandt als Rabbiner in Deutschland. Das ist zwar nicht nur Honigschlecken gewesen, aber ohne Zweifel hat seine Wirksamkeit in dieser Stadt bis heute ihre Spuren nachhaltig hinterlassen. Und der Raum, in dem wir uns hier versammelt haben, die Neustädter Hof und Stadtkirche, ist dem einstigen Landesrabbiner von Niedersachsen aus dieser Zeit wohl bekannt. Er ist hier mehrfach mit eigenen Vorträgen aufgetreten. Aber nicht nur das. Wie die Einheimischen und Kundigen wissen, in unmittelbarer Nähe zu dieser Kirche befindet sich ein für das jüdische Leben Hannovers geschichtsträchtiger Ort. Nur wenige Schritte von hier entfernt liegt der Platz, auf dem seit Beginn des 18. Jahrhunderts die jüdische Gemeinde Hannovers zu ihren Gottesdiensten zusammenkam, seit 1870 bis 1938 in der großen Opplerschen Synagoge. Dieser herausragende, eindrucksvolle Bau wurde wie die meisten Synagogen in unserm Land in der Nacht zum 10. November 1938 geschändet, verwüstet, niedergebrannt und die Reste dann umgehend vollständig abgeräumt. Ein Vorzeichen der sogenannten Endlösung. Unsere christlichen Gemeinden haben es damals unterlassen, sich geschwisterlich neben die jüdischen Gemeinden zu stellen. Sie haben bestenfalls geschwiegen, nicht selten auch mitgemacht. Dass wir es heutzutage es wagen, von Geschwisterlichkeit zwischen Juden und Christen zu sprechen, versteht sich angesichts dessen nicht von selbst. Dass wir es wagen können, ist in erster Linie jüdischen Frauen und Männern zu verdanken, die im Schatten zerstörter Synagogen, im Schatten der Schoah den Boden für Verständigung und Zusammenarbeit bereitet haben, – einer von ihnen Henry Brandt.
Die unter diesem Vorzeichen von Verständigung und Zusammenarbeit inzwischen seit nahezu 60 Jahren tätigen Gesellschaften haben neben und zusammen mit anderen Gruppen und Institutionen manches, ja viel bewirkt auf dem Weg zur Umkehr und Erneuerung im Verhältnis zwischen Christen und Juden, zwischen Juden und Christen. Das sollte und kann nicht klein geredet werden. Aber, täuschen wir uns nicht. Die Bewährung für die Zukunft liegt noch vor uns.
Eine Vorlesungsreihe reicht dazu allein gewiss nicht aus. Aber sie kann und soll auf diesem Weg kräftige Anstöße liefern, gleichsam richtungweisende Grundakkorde anstimmen. Das ist wenigstens die Hoffnung, die wir mit dieser neuen Einrichtung verbinden. Dass wir zum Auftakt für die erste Vorlesung mit Erich Zenger einen Mann gewonnen haben, der als Bibelwissenschaftler und theologischer Lehrer bereits mehrfach solche Grundakkorde angestimmt hat, ist ein verheißungsvolles Zeichen. Ich bin unsicher, wie weit es angebracht und sinnvoll ist, Herrn Zenger in diesem Kreis vorzustellen. Im überwiegend protestantisch gefärbten Niedersachsen ist gewiss nicht jeder römisch-katholische in Münster lehrende Professor bekannt. Aber im Fall von Herrn Zenger trifft das wohl kaum zu. Er ist nicht nur ein in seinem Fach, dem was wir Christen das Alte Testament nennen, ein über die Konfessionsgrenzen hinweg international bekannter Fachmann, er war und ist – auch nach seiner Emeritierung als ordentlicher Professor – einer der Promotoren des christlich-jüdischen Dialogs namentlich im Bereich seiner Kirche, aber auch darüber hinaus. Und selbst wenn Sie noch nichts von dem gelesen haben sollten, was er in diesem Zusammenhang geschrieben hat, so sind vermutlich doch nahezu alle hier in diesem Raum Versammelten Erich Zenger schon einmal begegnet, vielleicht ohne es zu wissen. Von ihm stammt der Vorschlag, die unter uns Christen gebräuchliche, in der Sache ja missverständliche und oft missbrauchte Rede vom Alten und Neuen Testament durch die Bezeichnung Erstes Testament und Zweites Testament zu ersetzen. - Das mag und muss genug sein.
Lieber Herr Zenger, sie haben sich umstandslos bereit gefunden, diese erste Rabbiner-Brandt- Vorlesung zu übernehmen. Sie sind dazu heute eigens von Münster hierher nach Hannover gekommen. Dafür Herzlichen Dank. Wir sind gespannt auf „Die Tora Israels als Lehrerin der Freiheit“. Sie haben das Wort.