Erste Begegnung Bischöfe und Rabbinerkonferenzen

09. März 2006

Grußwort von Bischof Dr. Wolfgang Huber, EKD, zur ersten Begegnung "Kirchen und Rabbinerkonferenzen" am 09.03.2006 in Berlin


Die Gespräche des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland mit dem Zentralrat der Juden sind seit vielen Jahren in guter Weise etabliert und ein wichtiger Bestandteil des christlich-jüdischen Dialogs. Die Begegnung heute ist eine Gelegenheit, das Gespräch miteinander zu intensivieren und zugleich ist es ein Ausdruck einer Gemeinschaft, die es zu pflegen gilt - einerseits als Würdigung der gemeinsamen Wurzeln und der Erinnerung der gemeinsamen - auch schmerzvollen - Geschichte und andererseits als Wegweiser für zukünftiges gemeinsames Handeln.

Die Beziehung zwischen Christen und Juden seit dem Ende des zweiten Weltkrieges sind in ihrer Vielfalt der Ausprägungen kaum zu überschauen. Den jüdisch-christlichen Dialog zu führen sind alle Glieder der Kirche aufgefordert, trotzdem möchte ich exemplarisch einige Kernpunkte/Wendepunkte nennen:

Die Synode der EKD hat im Jahr 1950 in Berlin-Weißensee die Bedeutung des jüdisch-christlichen Dialogs betont. Die seitdem bis heute in vielfältiger Weise erfolgten Schritte auf dem Weg des jüdisch-christlichen Miteinanders lassen sich nur summarisch aufzählen: Erklärungen des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Erklärungen landeskirchlicher Synoden, Forschungsergebnisse der akademischen Theologie wie das Institut Kirche und Judentum, das unter der Leitung von Professor Dr. Peter von der Osten-Sacken einen Weg der Umkehr zu einer theologischen Neuorientierung des christlichen Verhältnisses zu Juden und Judentum bahnte. Dem Institut Kirche und Judentum wurde vor einem Jahr die Buber-Rosenzweig-Medaille des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit verliehen. So zeigt sich, welchen Anklang das fruchtbare Wirken dieses Instituts gefunden hat.

Eine weitere Frucht des evangelisch-jüdischen Dialogs sind die drei Studien „Christen und Juden I - III“ der EKD, die in den Jahren 1975, 1991 und 2000 erschienen sind; diese Studien haben viele Klärungen gebracht, nicht wenige Kirchen haben seither den würdigenden und achtenden Bezug auf das Judentum in ihrer Kirchenverfassung aufgenommen. Heute wird das Gespräch vor allem in dem „Gemeinsamen Ausschuss Kirche und Judentum“ fortgeführt, der bei seinen Tagungen immer auch eine jüdische Gemeinde besucht und mit Vertretern der Gemeinde das Gespräch sucht. Zuletzt entwarf der Ausschuss einen Flyer mit dem Titel „Antisemitismus - wir haben was dagegen“, der an Schulklassen verteilt werden soll.

M.E wird der jüdisch-christliche Dialog zunehmend wichtiger: Mit der Wiederkehr der Religionen sind plötzlich wieder Fragen auf dem Plan, die die vermeintlich säkularisierte Gesellschaft längst ad acta gelegt hatte. Der unterschiedliche Glaube, die verschiedenen Gottes- und Menschenbilder der Religionen, die unterschiedlichen Verhältnisbestimmungen von Religion und Staat sind wieder im Gespräch. Die Vermutung, dass sich das Thema Religion in modernen Gesellschaften sozusagen von alleine erledigt, ist Lügen gestraft. Aber gerade deswegen ist das Verstehen nicht nur der anderen Religionen eine Grundbedingung für ein verantwortliches Umgehen miteinander, sondern auch das Verstehen der je eigenen Herkunftstraditionen. Meines Erachtens kann dabei der jüdisch-christliche Dialog auch eine Art Paradigma für die anstehenden Aufgaben bilden. Denn in diesen Jahren ist nicht nur das Verstehen des anderen gewachsen, es sind auch nicht nur untergründige oder offensichtliche antijüdische Tendenzen in unserer christlichen Tradition aufgearbeitet und wirksam korrigiert worden, sondern es sind auch neue Bilder voneinander entstanden, die Vorurteile unterlaufen und korrigieren. Dies ist aber die Basis jener Gemeinsamkeiten, die uns heute verbinden und zusammenstehen lassen.

Und dieses Gemeinsamkeiten werden ganz konkret: Kardinal Lehmann und ich haben uns vor anderthalb Jahren gemeinsam deutlich dafür ausgesprochen, in die Verfassung der EU einen Bezug auf die geistigen Grundlagen Europas und seine jüdisch-christliche Tradition einzufügen. Im Blick auf das Bild vom Menschen treffen in der jüdisch-christlichen Tradition wichtige Grundelemente zusammen. Gemeinsam hat sie ein Bild vom Menschen hervorgebracht, für das Individualität und Sozialität, Freiheit und Verantwortung in gleicher Weise kennzeichnend ist. Wer sich auf dieses Bild eines seiner selbst bewussten, auf die Gemeinschaft mit anderen angelegten, für Gott offenen Menschen beruft, rückt freilich auch die Kontroversen in den Blick, die sich an dieses Bild heften. Eine weitere konkrete Anwendung dieser Gemeinsamkeit bildete die gemeinsame Stellungnahme vom Vorsitzendem des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, Kardinal Lehmann und mir zum Film "Die Passion Christi" von Mel Gibson.

Dass heute im Rahmen dieser informellen Begegnung Vertreter der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche mit den Rabbinern in Deutschland ins Gespräch kommen, zeigt das gewachsene Vertrauen zueinander und die gewachsene gegenseitige Wertschätzung. Auf diese Weise wird der Geschwisterlichkeit sichtbar Ausdruck gegeben. Ich wünsche unserem Gespräch Gottes guten Geist und Segen.