"Angst überwinden - Brücken bauen" - Interview mit Peter Maffay

Interview von Gundula Gause mit dem Preisträger der Buber-Rosenzweig-Medaille Peter Maffay am 11. März 2018 im Ruhrfestspielhaus Recklinghausen


Gundula Gause: Herr Maffay: gestern sind Sie noch in Mannheim auf der Bühne gewesen… Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, sind Sie morgen in Neu-Ulm. Sie sind auf Tour und mit Ihrer Truppe enorm unterwegs. Erste Frage, ganz schlicht: Wie machen Sie das? Wie schaffen Sie das?

Peter Maffay : Mit dem Auto.

Gundula Gause: Sie haben aber wirklich eine bewundernswerte Kraft. Sie haben Power! Für ewig jung- für immer jung..

Peter Maffay: Na, ewig nicht. Das wird wahrscheinlich nicht funktionieren. Aber ich habe eine tolle Umgebung, sehr motivierte Kollegen, eine relativ junge Mannschaft, die mir immer zeigt, wo es entlanggeht und mich mitnimmt. Wir haben ein sensationell gut aufgelegtes Publikum erlebt bei den letzten Konzerten. Das Thema „Unplugged“, Herr Professor Dahmen hat es vorhin erwähnt, ist ein sehr, sehr schönes musikalisches Konzept, welches wir in dieser Konsequenz bisher noch nicht ausprobiert haben und jetzt jeden Abend genießen. Es ist eigentlich Urlaub.

Gundula Gause: Toll! Kompliment dafür! Trotzdem wissen wir aber, dass Sie als Musiker ja ohnehin ein Leben „am Limit“ führen. Es ist ja eine sehr beanspruchende, kraft- und geistfordernde Tätigkeit. Sie komponieren, Sie schreiben die Texte, Sie sind auf Tour, Sie haben einen Tross an Menschen um sich herum. Wie haben Sie es da noch geschafft und was hat Sie angetrieben, sich darüber hinaus auch noch sozial zu engagieren?

Peter Maffay: Das waren Leute um uns herum, die in dieser Richtung schon lange unterwegs waren, die bereits Erfahrungen gesammelt hatten im Umgang mit solchen Konzepten, die auf uns zu gekommen sind und gesagt haben: „Ihr habt doch als Musiker eine sehr gute Plattform um Menschen zu vernetzen. Aus dieser Vernetzung lassen sich Synergien ziehen zu Gunsten eines Zieles.“ Und das haben wir dann ausprobiert und festgestellt: das funktioniert. Wir sprechen ja sehr unterschiedliche Menschen an, und es ist ein großes Vergnügen zu sehen, wie jeder, mit welchem Beitrag auch immer - der muss nicht groß sein - zu einem guten Ganzen beitragen kann. Das ist zum Beispiel bei uns in der Stiftung passiert. Wir würden ja nicht funktionieren können, wenn wir nicht die Unterstützung von vielen, vielen Menschen draußen hätten, die uns dabei helfen.

Gundula Gause: Hinter diesem Engagement steht doch eine bestimmte Werteorientierung. Wir leben in einer Zeit, in der viele über einen Mangel an Werten sprechen. Woher haben Sie ganz ursprünglich ihre Werteorientierung? Vielleicht von Ihrem Vater, der noch lebt, oder von Ihrer schon verstorbenen Mutter?

Peter Maffay: Mit Sicherheit spielt die Erziehung eine Rolle. Im Grunde genommen ist das, was man ist - bilde ich mir ein - das Ergebnis von Hinterlassenschaften. Jemand, dem man begegnet, hinterlässt in einem irgendeinen kleinen Anteil und aus all den Mosaiksteinchen, den Hinterlassenschaften unzähliger Begegnungen, entsteht der Motor für das eigene Tun.

Gundula Gause: Mit Ihrer Person, mit Ihren Texten erreichen Sie ja Millionen von Menschen…

Peter Maffay: Mit meinen Texten weniger. Ich habe, glaube ich, in meinem Leben vier oder fünf Texte geschrieben. Das wäre nicht schlimm, aber die wollte niemand hören.

Gundula Gause: Es sind allerdings großartige Texte, die Sie in Ihrer Musik transportieren…

Peter Maffay: Dankeschön

Gundula Gause:  …mit denen Sie Millionen von Menschen ansprechen und dort eben auch Werte transportieren. Respekt, Achtung vor der Menschenwürde.

Peter Maffay:  Auch das ist ein Ergebnis von Synergien. Wir setzen uns zusammen und dann geht eine Frage in eine andere über. Im Grunde genommen geht es immer darum, was wir eigentlich ausdrücken wollen. Wenn man Musik schreibt – das mache ich ja, leidenschaftlich gern (eine wunderschöne Beschäftigung), dann steckt in der Musik eine Aussage. Man muss sie nur für sich entdecken und umsetzen, sie verbalisieren. So, dass jemand anders sie versteht. Das passiert durch einen Text. Also sitze ich mit einem Texter zusammen, der löchert mich dann und fragt: „Was wolltest du eigentlich mit dem Lied xy ausdrücken?“ Und dann fange ich an zu erzählen und daraus entstehen die Texte.

Gundula Gause: Und da hinein fließen doch gewiss auch Betrachtungen über den Zustand der Gesellschaft, über den Zustand unserer Demokratie, eben auch über Auswüchse in Richtung Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus.

Peter Maffay:  Ja. Im Grunde genommen verarbeiten wir das, was uns wichtig scheint, artikulieren das über die Musik und haben so die Chance – und das ist wirklich wunderbar - diesen Impuls an das Publikum weiterzugeben. Und wenn wir das einigermaßen geschickt machen, dann bleiben die Leute sitzen und gehen nicht zum Bier holen.

Gundula Gause: Wenn Sie jetzt den Finger in die Wunde legen könnten, was Sie mit Ihren Texten doch auch tun, was treibt Sie da am meisten um, wenn Sie sich Deutschland ansehen?

Peter Maffay: Zunächst einmal glaube ich, halten wir uns, halte ich mir – vor dem Hintergrund meiner Herkunft - immer wieder vor Augen, dass wir in einer Demokratie leben, in einer funktionierenden Gesellschaft, in der freie Meinungsäußerung funktioniert, machbar und gefordert ist, in der man keine Angst haben muss, für seine Meinung einzustehen. Das ist nur in wenigen Gesellschaften dieser Welt in dieser Konsequenz erlebbar. Ein selbstbestimmtes Leben zu führen, ist nicht jedem Menschen auf der Welt gegeben. Das heißt, wenn wir das erhalten wollen, dann müssen wir uns vergegenwärtigen: was sind die Gefahren, die einer solchen Gesellschaft drohen. Und dann kommen wir auf all diese Begriffe, die Sie sehr deutlich benannt haben.

Gundula Gause: Sie engagieren sich ehrenamtlich. Sie sind prominent, Sie machen wunderbare Musik, erreichen damit, viele Millionen Menschen. Nun gibt es ja in Deutschland über 30 Millionen Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, die nicht so prominent sind, die kein solches Musiktalent haben. Was raten Sie uns allen, was raten Sie den ehrenamtlich Tätigen, die sagen: „Ja, ich will etwas tun.“ Wie soll man ran gehen? Woher nehmen Sie die Motivation, welchen Tipp geben Sie?

Peter Maffay:  Zunächst einmal steht es mir wirklich nicht zu, einem ehrenamtlichen Helfer, der wirklich weiß, wie es funktioniert, zu sagen, wo es entlang geht.

Gundula Gause: Aber Ihre Kraft, Ihre Begeisterungsfähigkeit, Ihr Optimismus, den Sie ausstrahlen… Müssen Sie sich da nicht auch selbst motivieren?

Peter Maffay: Natürlich! Klar. Am Schopf selber hochziehen. Es gibt immer Phasen, wo man auch in der Leistung nachlässt. Aber dann sammle ich um mich herum Impulsgeber, oder Anregungen und das funktioniert eigentlich ganz gut.

Gundula Gause: Und ich weiß: Sie wollen jetzt auch wieder einen Impuls setzen – ausgehend von dem heutigen Tag. Es wurde schon von der Reise nach Israel gesprochen, von dem Begegnungsprojekt von Israelischen und Palästinensischen Jugendlichen – Wie geht das Projekt weiter?

Peter Maffay: Unser Herr Ministerpräsident Laschet und ich, wir waren in Israel, in Palästina. Wir haben sogar… [an Armin Laschet] Darf ich das erzählen? [Armin Laschet lacht und nickt] Wir haben sogar meine Lederjacke gegen seine Jacke getauscht. Stand ihm sehr gut. Auch ein Zeichen der Brüderlichkeit. Und wir haben es sehr genossen festzustellen, dass Jugendliche – und das ist auch der Motor unserer Stiftungsarbeit, aber auch in der Musik- viel, viel freier aufeinander zugehen als Erwachsene. Ich erinnere mich wirklich sehr gerne an diesen großartigen Politiker Shimon Peres, der ein Projekt gefördert hat… ein israelisch-palästinensisches Projekt von Jugendlichen: nämlich, Fußball zu spielen. Und er sagte immer auf sehr beeindruckende Weise: „Diese Jugendlichen spielen nicht gegeneinander. Sie spielen miteinander.“ Das ist eine so gültige Definition von Fußballspiel. Ich habe mich für Fußball, muss ich ganz ehrlich sagen, nie wahnsinnig interessiert, aber das hat mir unheimlich gut gefallen. Weil es ausdrückt, wo es entlang geht. Wenn wir Dialog wünschen, brauchen wir einen gemeinsamen Nenner sonst werden wir die Probleme auf der Welt nicht lösen können. Es stehen so viele Dinge an: Erosionen in beinahe allen Lebensbereichen, unsere Gesellschaften klaffen auseinander, weil es Spiele um Macht gibt, Bedrohung durch atomare Waffen und so weiter. Wir erleben es gerade wieder einmal. Wir dachten, das wäre jetzt alles im Verschwinden, aber nein, es gibt ja wieder Menschen, die zündeln.. Wir brauchen diesen Dialog. Wir müssen ja miteinander reden.

Gundula Gause: Wir müssen miteinander reden – das stimmt! Und ich weiß, Sie wollen das Projekt in Israel wieder mit neuem Leben füllen!?

Peter Maffay: Das wäre wunderbar, weil das ein Leuchtturm ist. Das ist ein Signal, welches man ausgeben kann. Israel ist ein Hotspot auf unserem Globus. Wenn wir dort zu einem Konsens kommen, dann habe ich die Hoffnung und glaube daran, dass das auch auf andere Gebiete ausstrahlen wird. Wir haben genügend Kriege, wir haben genügend Kinder, die darunter leiden, wir haben ein Auseinanderdriften der Gesellschaften. Wir müssen genau diese Bewegung umkehren und die Teile der Gesellschaften wieder zusammenführen. Es gibt ein – ich will die Zeit nicht strapazieren- aber es gibt ein kleines Lied, das wir sehr gerne auf der Bühne spielen und das heißt „Halleluja“. In diesem Lied geht es darum, dass zwei sich gegenüberstehen und sprachlos geworden sind, bis einer von beiden den Mut hat und den ersten Schritt tut, um diesen Gordischen Knoten des Schweigens zu durchtrennen, um einen Neuanfang zu ermöglichen. Das ist ein „Halleluja“. Sowas brauchen wir! Einen ersten Schritt. Immer wieder.

Gundula Gause: Vielen Dank, Peter Maffay. Ganz herzlichen Dank und alles Gute für Sie!