"Mensch, wo bist du? Gemeinsam gegen Judenfeindschaft" - Grußwort
"Mensch, wo bist du? Gemeinsam gegen Judenfeindschaft" - Grußwort des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder
Herr Bundespräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder,
ich darf Sie auch im Namen des Freistaats Bayern ganz herzlich willkommen heißen!
Es freut uns sehr, dass diese großartige Veranstaltung heute in Nürnberg, in Bayern, in Franken stattfindet – wo es doch eigentlich etwas Selbstverständliches ist. Denn die Leitung der großen Konfessionen, des Zentralrats der Juden, liegt ja in den Händen von Persönlichkeiten, die aus Bayern sind. Insofern ist das für alle fast schon ein kleines Heimspiel.
„Mensch, wo bist Du?“
Mich fragte jemand gestern: Mensch, wo gehst du am Sonntag hin? Ich sagte: Zu dieser Veranstaltung! Da sagte man mir: Klar, jedes Jahr – richtig, steht so fest im Kalender, im Bewusstsein. Da muss man hin, da geht man hin. Sehr viel Ritual.
Genau das ist es nicht! Genau das ist es nicht, einfach nur einmal im Jahr daran zu erinnern, sondern: Es folgt ein ganz neuer Auftrag daraus!
Der Bundespräsident hat das hervorragend beschrieben. Im Grunde genommen senden wir hier mit dem heutigen Tag zwei Signale:
• Ein tiefes Signal der Versöhnung,
• aber auch ein Signal der Entschlossenheit.
Versöhnung – ganz wichtig – zwischen den Religionen, des Miteinanders.
Ich sage Ihnen, wenn man Geschichte etwas bewusster betrachtet, dann war das schon eine unglaubliche Geste:
Dass nach den Gräueltaten im Dritten Reich, des Holocaust, der Schoah, Juden und jüdisches Leben bereit waren, nicht nur in Deutschland wieder anzufangen, sondern die Hand zur Versöhnung zu reichen.
Ich weiß nicht, ob andere es könnten. Deswegen ist diese Geste bis zum heutigen Tag eine unglaublich starke Botschaft des Friedens und der Versöhnung, für die ich manchmal beschämt, auf jeden Fall tief dankbar bin. Vielen Dank dafür!
Uns verbindet viel
Wenn manch einer meint, es sei ja nur Religion – stimmt, es geht um Religion! Aber die Werte, die dahinterstehen, sind konstitutiv für unseren Staat.
Die Werte, die unsere Gesellschaft säkular prägen, haben eine Begründung. Die Rechte des Menschen, die Individualität, die Menschenwürde – sie sind tief verankert im Bewusstsein von Juden und von Christen. Darum ist dieses Signal in der Woche der Geschwisterlichkeit ein Signal der Versöhnung.
Das ist die eine Botschaft.
Es ist aber auch ein Signal der Entschlossenheit notwendig. Denn – der Bundespräsident und andere haben es angesprochen – natürlich gibt es wieder, gibt es stärkeren, gibt es vor allem offenen Antisemitismus. Es gab ihn, glaube ich, leider immer. Aber so offen wie er jetzt wieder zu Tage tritt, so hässlich, hat es ihn lange nicht gegeben.
Es ist unsere Aufgabe, da Entschlossenheit zu zeigen:
• Entschlossenheit im Reden,
• Entschlossenheit in der Haltung,
• aber auch im Handeln.
Es wird nicht reichen, nur darüber zu reden. Wir müssen auch zeigen, dass wir es ernst meinen gegenüber solchen Leuten, die glauben, mit Antisemitismus Politik machen zu können.
Es ist mir eine ganz persönliche Aufgabe, mein Auftrag auch als Ministerpräsident: Wir müssen diejenigen stellen, die denken, heimlich, still und leise antisemitische Vorurteile wieder einführen zu können!
• Wir müssen sie stellen,
• wir müssen sie anklagen,
• wir müssen mit ihnen auch hart ins politische Gericht gehen!
Ganz bestimmte Parteien, die so offen damit spielen, Antisemitismus zu schüren, müssen von uns ein Stop-Schild bekommen – und wir müssen ihnen klar sagen: So etwas wollen wir in unserem Land nicht! So etwas dulden wir in unserem Land nicht! Und dagegen gehen wir hart politisch vor!
Antisemitismus darf nicht unter dem Deckmantel einer anderen Religionsausübung, darf auch nicht unter der versteckten Kritik am Staat Israel stattfinden.
Übrigens: in Israel selbst sieht man, wie lebendige Demokratie funktioniert. Bei all den Debatten, die es gibt, auch bei manchen Fehlern, bei allem, was man kritisieren darf – das tun wir in Deutschland ja auch sehr lebendig und zurecht – muss man eines sagen: Wer teilt denn eigentlich in der gesamten Region uneingeschränkt die Werte von Demokratie und Menschenrechten? Wer steht zu diesen Werten, die alle verbinden? Doch auch der Staat Israel!
Darum – bei aller Kritik im Detail – ist es auch die Aufgabe von uns in Deutschland, uns immer zum Staat Israel und zu dieser Partnerschaft zu bekennen.
Das Miteinander als klarer Auftrag
Wir haben bei uns einen Antisemitismus-Beauftragten, Ludwig Spaenle, berufen. Aber nicht nur Antisemitismusbekämpfung steht in seiner Aufgabenbeschreibung, sondern: Er ist auch Beauftragter für das jüdische Leben in Bayern.
Die Normalität, die Gleichberechtigung, die Augenhöhe, die Selbstverständlichkeit des jüdischen Lebens zu zeigen, ist ihm Aufgabe. Es ist fester Bestandteil unserer Gesellschaft – deswegen sind Sie auch nicht „jüdische Mitbürger“, Sie sind Bürger unseres Landes! Bei uns in Bayern sagen wir: der fünfte Stamm. Wir sind sehr dankbar dafür, was gegeben, was geleistet, was erbracht wird.
Neben der Aufklärung in den Schulen gehört aber auch die Entschlossenheit im staatlichen Handeln dazu: Nicht nur Synagogen zu schützen, sondern Straftaten zu verfolgen: Bei Staatsanwaltschaften haben wir Antisemitismus-Beauftragte eingesetzt, um bei vielen der Straftaten auch genau zu überprüfen: was ist der wirkliche Hintergrund? Ist es vielleicht nur eine Schlägerei, weil jemand zu viel getrunken hat? Oder gibt es ein ganz anderes Motiv, das es anders zu verfolgen gilt?
Meine Damen und Herren, dieser Auftrag bleibt breit und groß.
Ich gratuliere den Preisträgern herzlich. Es ist eine Ehre, so einen Preis zu bekommen. Es freut uns, dass Sie heute da sind!
Ich darf Ihnen versichern, dass wir den Auftrag des Dialogs, des Miteinanders der Religionen, aber auch politisch im Freistaat Bayern entschlossen, versöhnend, aber sehr, sehr wachsam wahrnehmen!
Ich wünsche allen Preisträgern alles Gute – und dass heute ein gutes Signal von diesem Tag ausgeht: Ein Signal, das weit über ein normales Ritual hinausgeht, deutlich länger hält und auch von allen verstanden wird – von denen, die es gut meinen, aber bitte auch von denen, die denken, sie könnten einen anderen Weg in unserem Land gehen.
Vielen Dank!