UM GOTTES WILLEN - Jeder Mensch hat seinen Wert und seine Würde

Grußwort des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil bei der Zentralen Eröffnungsfeier der Woche der Brüderlichkeit am 06.03.2016 im Theater am Aegi, Hannover


Lieber Herr Bundespräsident,
Herr Landesrabbiner Brandt,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Frau Professor Käßmann,
Herr Professor Brumlik,

ich heiße Sie alle sehr, sehr herzlich Willkommen bei uns in Niedersachsen. Es ist uns eine besondere Freude, dass die diesjährige Woche der Brüderlichkeit in unserer Landeshaupt-stadt Hannover eröffnet wird.

63 Jahre alt ist sie nun schon, die Woche der Brüderlichkeit, aber erst zum zweiten Mal findet die Eröffnungsfeier in Niedersachsen statt. Das erste und bislang letzte Mal ist das vor sage und schreibe 37 Jahren der Fall gewesen. Wir sollten uns gemeinsam vornehmen, diese Frequenz wesentlich zu verkürzen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

63 Jahre. Aber wie sehr haben sich die Verhältnisse seitdem verändert, man sieht es an vie-len guten Beispielen in Niedersachsen und besonders plastisch an unserer Landeshauptstadt. Vor dem Krieg gab es in Hannover eine große, starke jüdische Gemeinde. Nach dem Krieg waren davon gerade einmal zwei Handvoll Menschen übrig geblieben, die die Shoah überlebt haben. Und manch einer von ihnen hat auch danach seine oder ihre Heimat noch verlassen müssen.

Heute leben wieder viele tausend Jüdinnen und Juden in Hannover und Umgebung, sogar mehr als vor dem Krieg. Es gibt mehrere Synagogen und ein Mal im Jahr findet auf dem Opernplatz das Chanukkafest statt, das Lichterfest, am dem sich von Jahr zu Jahr immer mehr Menschen beteiligen. Ich finde, vor dem Hintergrund unserer Geschichte ist das eine ganz wunderbare Erfahrung.

Die Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit haben daran ihren Anteil. Über Jahrzehnte hinweg immer wieder den Gedanken der Versöhnung beharrlich voranzutreiben und auch Rückschläge immer wieder zu überwinden -  das ist eine ganz besondere Leistung, die auch eine ganz besondere Anerkennung verdient.

Heute stehen wir vor neuen riesigen Herausforderungen, bei denen wir auf diese Erfahrungen zurückgreifen müssen. Die weltweiten Konflikte, der Terror, die Fluchtbewegungen, sie sind auch nach Deutschland gekommen. Es gibt eine neue Feindseligkeit gegenüber „an-dersartigen“ Menschen und mitunter mischen sich Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus zu einem gefährlichen Gebräu. Umgekehrt darf es auch keine falsche Toleranz geben ge-genüber einem „importierten“ Antisemitismus. Antisemitismus ist immer falsch, ganz egal wann, wo und wie er sich äußert. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Jeder Mensch hat seinen Wert und seine Würde, ganz egal woher er kommt und was er glaubt. Die deutsche Ge-schichte lehrt uns, dass wir diesen Maßstab niemals vergessen dürfen.
Aus Niedersachsen, meine Damen und Herren, stammt Nathan der Weise, jener Leuchtturm des Humanismus und der Aufklärung, den wir Gotthold Ephraim Lessing aus Wolfenbüttel zu verdanken haben. Bis heute ist die Ringparabel mit das schönste Symbol dafür, wie groß die Gemeinsamkeiten zwischen den Weltreligionen sind. Am Ende sind es die gegenseitige Ach-tung und Toleranz, die die Grundlage eines gedeihlichen Zusammenlebens bilden. Diese Botschaft aus Niedersachsen hat auch nach Jahrhunderten später nichts von ihrer Eindring-lichkeit verloren. Ganz im Gegenteil: So gesehen ist Niedersachsen ein besonders guter Ort für die Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit 2016.

Ich wünsche den Veranstaltungen einen guten Verlauf und noch einmal Ihnen allen ein herz-liches Willkommen in Niedersachsen.